KEINE STATISTIK = KEIN PROBLEM
Alle zwei Minuten wird in Europa ein Kind als vermisst gemeldet.
Missing Children Europe erstellt Statistiken über die Anrufe auf die 116 000 Hotlines aus 22 Ländern, darunter auch unsere Hotline in der Schweiz.
Im Jahr 2021 wurden 54 655 Anrufe aufgrund vermisster Kinder registriert, wobei 13% davon bereits in den Vorjahren als vermisst gemeldet wurden.
Hinweis: Nur in sehr seltenen Fällen (1%) handelt es sich um kriminelle Entführungen.
Wie viele Kinder werden jährlich in der Schweiz als vermisst gemeldet? Diese wichtige Frage bleibt leider ohne Antwort.
Die Schweiz hinkt bei der Datenerhebung zur Verletzlichkeit von Minderjährigen hinterher.
«Keine Daten, kein Problem!» Das könnte man glauben, wäre da nicht, was wir bei Missing Children Switzerland täglich erleben und wären da nicht die letzten Vermisstenfälle, die belegen, dass unser Land von diesem Phänomen nicht verschont bleibt. Ausserdem ist das Vorgehen bei der Suche nach vermissten Kindern lückenhaft, wie der zwar vorhandene aber noch nie ausgelöste Entführungsalarm zeigt.
Der fehlende Wille seitens der Schweizer Behörden und insbesondere unser föderales System sind dafür verantwortlich, dass noch immer keine offiziellen Statistiken über Vermisstenfälle von Minderjährigen in der Schweiz verfügbar sind.
Aus diesem Grund arbeiten wir ununterbrochen daran, diese Zahlen zu erhalten. Sowohl die Behörden als auch die Einwohnerinnen und Einwohner müssen realisieren, dass auch die Schweiz mit dem Phänomen, dass Kinder verschwinden, konfrontiert ist.
Doch ohne offizielle Statistiken bleibt dieses Phänomen unsichtbar.
Die polizeilichen Daten über Vermisstenfälle von Minderjährigen werden von der Bundespolizei (fedpol) erhoben. Wir versuchen, diese zu sensibilisieren und mit ihr zusammen zu arbeiten, um ein vollständigeres Bild dieses Phänomens zu bekommen. Dies wollen wir insbesondere durch eine Vereinheitlichung der Kategorien erreichen, unter denen die Zahlen derzeit zusammengetragen werden.
Die Zahl der minderjährigen Ausreisserinnen und Ausreisser schätzen wir im Moment auf ca. 25'000 pro Jahr. Für die Zahl der elterlichen Kindesentführungen gehen wir von über 100 Fällen pro Jahr aus.
Nichtsdestotrotz arbeiten wir aktiv daran, ein explizites statistisches Modell zu entwickeln, durch das bezüglich der Nomenklatur von Vermisstenfällen ein bestimmter Rahmen festgelegt wird. Derzeit werden Ausreisserinnen und Ausreisser noch nach Belieben kategorisiert.
Studien, die in der Schweiz gemacht wurden:
"Fugue : rite de passage ou cri d’alarme ?" (Fondation Sarah Oberson, 2012)
Le plan « Alerte enlèvement » suisse en comparaison internationale (UNIL, 2013)
"Séparation des parents, disparition des enfants: Working Report" (Fondation Sarah Oberson, 2014)
Fugues en sol valaisan: phénomène mineur" (HES-SO Valais, 2017)
Es fehlen sowohl offizielle Studien als auch die Zeit, die zur Entwicklung eines allgemeinen Rahmens bezüglich der Vermisstenfälle benötigt würde. Dies erschwert die Interpretation der Zahlen, die das Ausmass des Phänomens auf weltweiter Ebene darstellen.
Ausserdem sind die Zahlen mit Vorsicht zu verwenden, da die Statistiken in zahlreichen Ländern ungenau sind.
Das heisst: Es gibt nicht registrierte/nicht anerkannte Fälle, Über- oder Unterschätzungen der Zahlen sowie Fälle, die nach Abschluss gelöscht werden.
Folgende Infos haben wir finden können:
In Frankreich wurden im Jahr 2018 53'439 Kinder als vermisst gemeldet (das entspricht einer Meldung pro 10 Minuten).
In Deutschland werden jährlich ca. 100'000 Kinder als vermisst gemeldet.
In den USA werden jährlich ca. 460’000 Kinder als vermisst gemeldet.
In Spanien werden jährlich ca. 20’000 Kinder als vermisst gemeldet.
In Kanada werden jährlich über 45’288 Kinder als vermisst gemeldet.
In Russland wurden seit 2015 ca. 45’000 Kinder als vermisst gemeldet.
In England werden jährlich ca. 112’853 Kinder als vermisst gemeldet.
In Indien verschwinden jährlich ca. 96’000 Kinder.
In Jamaika wurden seit 2015 1'984 Kinder als vermisst gemeldet.
Für Europa verwenden wir hauptsächlich die Arbeiten, die von unserer Dachorganisation Missing Children Europe realisiert wurden. Die Organisation koordiniert die 116 000 Hotlines der Mitgliedstaaten und trägt deren Datenerhebungen zusammen.
Annual reports: "Figures and Trends on missing children"
Hier finden Sie auch andere Studien, die Sie interessieren könnten.
Missing Children and Adults: A Cross Government Strategy (Government Home Office, Royaume-Uni, 2011)
International Child Abduction Cases in Hungary (Akadémiai Kiadó, Budapest, 2015)